Jemand steht mit seiner Gitarre vor dem Verstärker und verursacht ein kurzes Feedback, dann beginnt gleichzeitig mit dem Bass der schleppende Schlagzeugrhythmus: “Du hast Deine Stunden - gegen Kleingeld eingetauscht. - jetzt gehst Du durch die Strassen - alles leer und aufgebraucht - in der U-Bahn sitzen Zombies, wohin fahr’n die? Woher komm’n die?”. die synkopierte Funk-Gitarre untermalt den Einsteiger “Schein für mich” - Bläser setzen akzentuierte Riffs dagegen. Nach zwei Minuten und fünfunddreissig Sekunden leitet ein kurzer ultrafunkiger Loop das intensive Ende des ersten Stücks ein.
Während der Opener von Rhythmus-Wexeln geprägt wird, ist das folgende “Alles” ein Beispiel für “straight forward” Disco-Rock. mit cameo-tischem Riff, in der Ferne wiehert das Scratch-Pferdchen von Cypress Hill/Funkdoobiest. “Hier kriegst Du alles, was Du Dir immer erwünscht hast. Du willst doch auch irgendwas!” Synthie-elektro-Schleifen paaren sich mit elektro-hardrockigen Gitarren. Es ist eine Platte, die Alt und Jung, Blond und Brünett, Hetero und Schwul vereint. Eine Welt für “Alles”. SCHEIN machen es möglich. Die Welt tanzt.
“Komm schon - lass die Sau raus”. Mach ich ja - ich bin schon längst auf’m Tisch. “Geld oder Leben” stellt die Frage, sich endlich zu entscheiden. Die schnöde Kohle oder das bisschen Vergnügen im Leben. Ein lustiger Text. Doch wer nach diesen ersten drei Stücken seinen Player abgeschaltet hat, versäumt das Beste, das noch kommt.
Der “Club der Verlierer” andert ein bisschen die bisherige musikalische Ausrichtung. Der puckernde Bass ist die Grundlage für die heavy Gitarre, die leicht in Richtung AC/DC - early Van Halen tendiert, auch die Bläsersätze passen sehr gut. Und da - nach 2 Minuten tatsächlich ein vanhalenesker Ryhtmus-Riff a la “Little Guitars” - und um den wiedergegeben zu können, muss der Gitarrist schon einiges drauf haben. Und die Musiker von SCHEIN sind Hochqualifizierte ihres Fachs, da sitzt jede Note, jeder Wexel. “Baby geht steil” ist einfach zucker-geil. (Oh, ein Reim!) Musikalische Mutanten- Highclass zwischen Pop - Funk - Rock - und Jazz und in Minute 1:08 kommt noch ein abhebendes Raumschiff hinzu! “24 Stunden Starkstrom” meint der Sänger. Wahrscheinlich hat die ganze Band bei diesem Song den Finger in der Steckdose gehabt!
Super-Arrangement in “Wochenende II” - new orlean-sche Bläsersätze - wie viele Leute sind das eigentlich in Schein, muss ich direkt mal nachkucken! Ahacht! Versteckte Trompete im Hintergrund (erinnert an den Ton von Miles Davis’ Tutu-Produktion). Ein toller “slow” Funk- Jam und dann - nach 2 Minuten 41 - Finito - warum? Warum? Ett war doch so geil!
Okay - ich bleibe hart am Grooven. Ein Ober-Banger folgt. Jetzt wird gepfeffert. Chili-Schoten rausgeholt und getanzt: Denn jetzt kommt der Titelsong und der legt noch ne Schippe drauf. “Wir sind der Funk” - Ja, aber nicht nur Ihr, ich auch! “Leg Dein Ohr an die Box” meint Georg - geht nicht, ich hab meinen Discman bis zum Anschlag oben. “Wir sind der Funk” kommt der Refrain - und ich bin - Ihr seit es - wir alles sind es - WIR SIND DER FUNK - F-U-N-K - WIR SIND DIE BEWEGUNG - WENN DU WEISST WAS ICH MEIN! ”Jam!” es ist das 7. Stück - ich bin gerade vollauf begeistert. Die Leadgitarre läutet noch einen letzten - kennen wir bereits - Rhythmus-Wexel ein. “Wir sind der Funk - und zwar wir alle!”
Zwischendurch den Songs passiert auch einiges, da wird einmal ein Tisch zerstört, zum anderen hört man die deutsche Robert de Niro-Stimme (wie in “Julia”). Heavy Bass-Slapping eröffnet “Tick Tack” (M.W.Fire hat bei Larry Graham genau hingeguckt - oder der etwa bei ihm?) Auf jeden Fall gibt es jetzt was parliamentarisches auf die Ohren. The mothership is hi - ier! “Tick Tack Tick Tack Tick Tack - ich will austicken - ich tick aus...”, die Schluss-Sequenz im Song ist heisser Groove pur. Und dann kommt es noch schärfer - (schon wieder) ein Rhythmus-Wexel! Erinnert mich an die monumentalen extatisch ausufernden Instrumental-Jams der Isley Brothers, leider dauert’s hier nicht so lange, aber vielleicht im Konzert oder auf der Bühne......
Ein slidegitarren-grooviges Lick startet den poppigen “Platz an der Sonne” manuelles Handclapping gegen den Rhythmus, schon mal was von Swamp-Funk gehört? Bestes Beispiel! Alligatoren-Funk aus Freising - hätte ich auch nicht gedacht, dass ich das noch mal im betagten Alter zu hören bekomme. Hier macht sich zusätzlich die Vielseitigkeit der acht Jungs bemerkbar. Wir befinden uns plötzlich im Bierzelt und alles singt “Na na na - nanna na”
Aber sie haben auch eine romantische Ader, die sich im melancholischen “Vergiss es nicht” öffnet. Ein wunderbares Liebeslied, das auch toll instrumentiert ist. Über dem Ganzen schwebt ein Dulcimer-ähnlicher Sound - vielleicht ist es einer, aber wahrscheinlich eher wohl das keyboard - denn was macht denn ein Dulcimer in Bayern? “Sag nix - ich weiss es ist zu Ende - vergiss es nicht - was wir gehabt haben - denk dran an den grauen Alltag - wir beide gegen den Rest - zusammen waren wir die besten - vergiss es nicht - Du bist alles für mich.” Deutscher Soul, der berührt und der in der Interpretation von SCHEIN ehrlicher rüberkommt als zahlreiche andere gekünstelte Balladen-Massenware.
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